Lage
Einwohner*innen
Merkmale
Gröpelingen war einst ein typischer westdeutscher Arbeiterstadtteil. Vor allem Arbeitsmigrant*innen aus Portugal, Italien und der Türkei wurden angeworben, um in der Werftindustrie zu arbeiten. Mit der Schließung der Werft in den 1980er-Jahren setzte in ganz Bremen und im Stadtteil der Strukturwandel ein. In Gröpelingen gingen vor allem Industriearbeitsplätze verloren, bis heute beträgt die Erwerbslosenquote ca. 28 %.
Heute ist Gröpelingen ein Ankunftsstadtteil, der wesentlich von Zuwanderung aus Kriegs- und Krisengebieten, aus weltweiten Armutsregionen und zunehmend aus strukturschwachen Regionen Europas geprägt ist. In einigen Grundschulklassen erreicht der Anteil der Kinder mit Migrationsgeschichte über 80 %. Gröpelingen ist zudem einer der ärmsten Stadtteile Bremens. Die Bevölkerung ist überdurchschnittlich jung, doch 60 % der unter 18-Jährigen leben in SGB-II Gemeinschaften. Diese verschiedenen Problemlagen führen zu einer Entfremdung vieler Gruppen vom Gemeinwesen, demokratischen Institutionen und zu einer Gleichgültigkeit gegenüber dem öffentlichen Raum sowie dem öffentlichen Miteinander.
Inmitten des Stadtteils liegt rund um einen attraktiven städtischen Platz das Liegnitzquartier. Wie in einem Brennglas verdichten sich hier die Konflikte, aber auch die Möglichkeiten einer durch internationale und europäische Migration geprägten Stadtgesellschaft: Vermüllung des öffentlichen Raumes findet sich direkt neben einer intensiven und kommunikativen Nutzung durch Familien. Prekäre Beschäftigungen, häusliche Gewalt und Zwangsprostitution treffen in engster Nachbarschaft auf solidarische Gemeinschaften, engagierte Familien und kleinen Initiativen zur Verbesserung des Quartiers.
Laufzeit
Maßnahmen im Quartier
Idee
„EUROPA ZENTRAL – Leben im Liegnitzquartier“ möchte mit künstlerischen Werkstätten die Fertigkeiten, Kompetenzen und Begabungen der Bewohner*innen im Liegnitzquartier sichtbar machen und die Selbstorganisation und Selbstrepräsentation stärken. Das Projekt will neue Wege erforschen und erproben, um jenseits „ethnischer“ Zuschreibungen und Selbstdefinitionen den Fokus der Bewohnerschaft auf den gemeinsamen Lebensraum des Quartieres zu richten und eigenverantwortliche Strukturen zu ermutigen und zu ermöglichen.
Dazu sollen Werkstätten mit Unterstützung externer professioneller Künstler*innen als Impuls zur Aktivierung wirken. Der Fokus liegt dabei auf der gemeinsamen Entwicklung sozialer, städtebaulicher und vor allem kultureller Strategien für das Quartier. Die Werkstätten werden die aktuellen sozialen Netzwerke der Bewohnerschaft einbeziehen, die weit über Stadtteil und Deutschland hinausreichen und vor allem für Zuwanderer aus Südosteuropa aus teils engen Austauschstrukturen zu Familienteilen in den Herkunftsorten bestehen.
Aktionen und Projekte
- Es werden „Liegnitzwalks“ durchgeführt, wobei die Künstler*innen von Anwohner*innen in das Quartier eingeführt werden. Die Methode ist angelegt an die US-Stadtsoziologin Jane Jacobs.
- Es werden drei temporäre Werkstätten mit den Schwerpunkten Textil, Töne und Storytelling geschaffen, in denen die Bewohner*innen ihre Kenntnisse, Potenziale und Interessen einbringen können. Mit der Unterstützung professioneller Künstler*innen werden gemeinsam Produkte hergestellt. Bei der Rapwerkstatt können junge Erwachsene mit professioneller künstlerischer Unterstützung ihre Lebensrealität reflektieren sowie Wünsche und Ideen formulieren. Die Nähwerkstatt produziert aus alten Stoffen Recyclingprodukte für den Haushalt. In der Werkstatt für Storytelling kommen die Geschichten des Quartiers zum Klingen: wie wichtig ist die Nachbarschaft, wenn man sich schlecht verständigen kann? Was vermisse ich aus meiner Heimat? Welche Rolle spielt für mich der Müll im Quartier? Aus den mit lokalen Musikern inszenierten Geschichten bekommt die Nachbarschaft die Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen.
- Die Produktionen der Werkstätten werden auf dem ab Sommer 2019 jährlich stattfindenden Mikrofestival „Europa Zentral“ auf dem Liegnitzplatz und den umliegenden Straßen und Plätzen präsentiert. So sollen die Plätze und Straßen zu einer Bühne der Potenziale des Quartiers werden und über das Quartier hinaus Besucher*innen anlocken.
- In einem Projektbeirat sollen die Erfahrungen kontinuierlich ausgewertet und Rückschlüsse auf benötigte dauerhafte strukturelle Veränderungen gezogen werden, um die Arbeit in Hinblick auf Machtstrukturen und Diversität zu hinterfragen und zu verbessern. Die Ergebnisse und Empfehlungen sollen veröffentlicht und auf Veranstaltungen mit lokalen, kommunalen und internationalen Fachleuten diskutiert werden.
Ziel aller Aktivitäten ist es, die Lebensbedingungen sowie die Außen- und Innenwahrnehmung Gröplingens in Bremen zu verbessern und kulturelle, soziale und politische Teilhabe zu organisieren.
Ansprechpartner*innen
Valesca Fix
Kultur vor Ort e.V.
Liegnitzstraße 63
Telefon: 0421 9899700
E-Mail: fix@kultur-vor-ort.com
Weitere Informationen